Neulich am Telefon hat mein Vater die Ironie bemerkt die darin liegt, dass ich in der Schule nie Hausaufgaben gemacht habe und jetzt freiwillig Texte schreibe und sie korrigieren lasse. Ich hatte erwidert, dass es ja schon ein bisschen etwas anderes sei, denn hier kann ich schreiben worüber ich möchte und was mich interessiert. Ein Grund warum ich es mit der Schule nicht so leicht hatte fängt schon damit an, dass es immer der selbe Ort ist, damit verbunden, das Gefühl in der Schulzeit von den Dingen abgehalten zu werden die ich wirklich gerne machen wollte. Meine Mutter zitiert dazu gerne meinen Lehrer, der dazu bei meinem Abschluss gesagt haben soll, dass die Schule für mich immer ganz am Ende kam, dass ich meine außerschulischen Aktivitäten priorisiert habe und, dass es ihn fasziniere wie ich mich durch die Schulzeit navigiert habe. Heute kann ich das nur bestätigen.
Ich habe mich nicht davon abhalten lassen meinen Interessen nachzugehen, auch nicht drei Wochen vor der Abiturprüfung. Die Begegnungen mit Menschen und das Erleben ist mir wichtiger, als eine Prüfung. Zwei Wochen haben mir auch gereicht für oberstes Drittel untere Hälfte. Die Prüfung kann ich wiederholen, das Leben nicht. So bin ich auch erst knappe zwei Wochen vor der mündlichen Abiturprüfung von drei Wochen Kirgistan mit meinem besten Freund zurückgekommen.
Gerade weil ich mich davon nicht habe abbringen lassen habe ich eine gute Note in Russisch gesprochen. Das hat meinen Russischlehrer nicht davon abgehalten mich beim nächsten Jahrgang als anonymisiertes Negativbeispiel zu nennen, denn die Schule kam mal wieder zuletzt. 5 Minuten zu spät, ohne Handout, ohne Präsentation einfach mit meinen Sprachkenntnissen. Nach der Prüfung fragte mich die Prüferin noch ob ich nicht wissen wolle warum ich nicht mehr Punkte bekommen hätte. Da konnte ich nur schmunzelnd verneinen. Ich wollte mit diesen lebensfernen Prüfungen so schnell wie möglich nichts mehr zu tun haben.
Die Inhalte die die Schule anzubieten hatte interessieren mich seit ich mit der Schule nichts mehr zu tun habe sehr. Dieses Interesse hat allerdings mein Leben geweckt und ich war zu wenig anwesend in der Schule um mir mein Leben nehmen zu lassen. Sobald ich Worte wie Prüfungsrelevant oder sätz wie: „so ist das eben“ gehört habe, habe ich alles restliche Interesse verloren.
Also gut. Jetzt schreibe ich Artikel; aber die, die Ich will. Jetzt ermöglichen mir diese Artikel, dass ich hinaus in die Welt kann, ja eigentlich muss. Nie wieder Hausaufgaben.
Seit dem Sommer fahre ich den Omnibus für direkte Demokratie. Der ermöglicht mir, dass ich hinaus auf deutsche Staßen kann und muss, um mit den Menschen über direkte Demokratie zu sprechen.
Auf der Straße setze ich meine Stimme ein.
In Artikeln setze ich anderer Leute Stimmen ein.
Ich leihe ihnen meine Stimme, so wie ich die Stimme von Zeitschriften und Magazinen geliehen bekomme. So wie ich die Stimme von den Menschen die sich für direkte Demokratie einsetzen geliehen bekomme. In ihrem Auftrag bin ich unterwegs und mein Auftrag ist nur einer der vielen.
Menschen fangen an sich auf mich zu verlassen, dass ich schon die Worte finde die für den Kontext angemessen sind. Diese Verantwortung ist eine die ich gerne trage und in die ich mich voll Freude reinstelle. Sie bekommt im Moment nur eine neue Facette.
Als Freiberufler kann ich mir aussuchen wem ich meine Stimme leihe. Auch die Medienschaffenden können sich aussuchen wem sie ihre Stimme leihen. Die Welt braucht keinen einzigen weiteren Journalisten dessen „Qualität“ darin besteht zu schreiben was die Medienhäuser drucken w(s)ollen.
Es braucht Journalisten die schreiben was sie vor sich selbst vertreten können, wenn sie in den SPIEGEL schauen ;))
Kriterien hierfür kann nur die eigene Moral liefern sofern sie eingebettet ist in eine gesunde Gemeinschaft. Die Moral ist ein Luxus geworden den sich nur noch wenige leisten. Entgegen anderen Luxusgütern ist die Moral eine nicht sonderlich bequeme, und für viele sogar geschäftsschädigende Angelegenheit.
In Gemeinschaften besteht das größte Problem immer darin offen für alle Meinungen zu sein und Diskurs, Blockaden und Streits zu navigieren.
Die Welt braucht Journalisten deren Existenzgrundlage nicht bedroht ist, wenn sie etwas schreiben oder sprechen, das den immer enger werdenden Korridor der zulässigen Meinung verlässt und tatsächlich zu nah an den Kern des Problems herantritt.
Im Zeitalter von InFormation im Überfluss wo täglich über alles mögliche nachgerichtet wird scheint es nicht mehr angebracht einen Berufsstand zu produzieren der lediglich ausgehend von *einer* Fähigkeit sein Leben bestreitet. Das gilt nicht nur für den Journalismus, allerdings kommt ihm ein besonders Gesellschaftsrelevante Funktion zu.
Das würde bedeuten weniger Konformstudierte 1er-Schüler Beiträge (nicht alle 1er Schüler sind Konformiert und nicht alle Konformierten sind 1er Schüler) und auch weniger Schreibarbeit für den einzelnen. Die Meinungsbildung auf so viele Köpfe wie möglich zu verteilen scheint mir ein sehr wirksamer Schritt dahin zu sein, dass auch geschrieben und veröffentlicht wird was nicht gelesen werden soll. Es wäre sicher interessant mehr von Menschen zu lesen die aus den Feldern berichten in denen sie stecken, oder der benachbarten Branche mal auf den Zahn fühlen.
Freiberufliche Ergänzung als „Rausaufgabe“ quasi.